Sommerlicher Wärme- und Sonnenschutz

Sonnenschutz ist nicht nur an der Südseite sehr wichtig, sondern auch an der Ost- und der Westseite.[1] Hier besteht die Gefahr von unerwünschter Aufheizung. Die sich im Jahresverlauf verändernden Wetterbedingungen, z.B. die Intensität von solarer Einstrahlung, stellen individuelle Anforderungen an Gebäude.

Um ein möglichst angenehmes Raumklima zu schaffen, bedarf es intelligenter Lösungen, welche in der Lage sind, auf die jeweilige Veränderung der Umwelteinflüsse zu reagieren.[2] Der energieeffiziente Umgang mit Ressourcen ist dabei ein wichtiger Faktor. Zwar sollte möglichst viel natürliches Sonnenlicht genutzt werden, um die zusätzlich benötigte Energiemenge zu reduzieren, aber dabei sollte darauf geachtet werden, dass nicht zu viel Wärme eingetragen wird. Lichtlenksysteme könnten dabei helfen, dies umzusetzen. Dabei wird Sonnenlicht indirekt in Räume geleitet, ohne den Nebeneffekt der ungewollten Aufwärmung im Sommer.

Innenliegende Systeme wie Jalousien, Lamellenvorhänge und Vorhänge erfüllen den Zweck der Beschattung, können aber den Wärmeeintrag in die Räume weniger effektiv verhindern als außenliegende Systeme. Dies hängt damit zusammen, dass die Sonnenstrahlen durch die Glasscheibe dringen, die dahinterliegenden Sonnenschutzsysteme aufheizen und nur zum Teil reflektiert werden.

Größten Nutzen und höchste Flexibilität bieten außenliegende, mechanische Sonnenschutzsysteme.

Allerdings sind diese erheblich kosten- und wartungsintensiver als starre Systeme. Gerade in Mehrzweckbauten mit gewerblicher Nutzung und ohne geregelte Zuständigkeiten (z. B: Büroräume) sollten stets automatisierte Systeme zur Anwendung kommen, da sonst mit einem zeitlichen Mehraufwand für die manuelle Bedienung zu rechnen ist.

Elektrochrome Verglasung

Eine Alternative zum konventionellen Sonnenschutz stellt die elektrochrome Verglasung dar (siehe Abbildung 4.3). Dieses elektronisch dimmbare bzw. tönbare Glas, auch EC-Glas genannt, kann individuell an die Wetterbedingungen angepasst werden. Elektronisch angesteuert, z. B. durch ein Gebäudemanagementsystem, können der Energiedurchlassgrad und die Transmission des sichtbaren Lichtes angepasst werden.[3]

Das Glas lässt sich abdunkeln von einer Lichttransmission von 77 % auf 8 %. Die Wärmetransmission kann somit von 56 % auf 6 % verringert werden. Die Kosteneinsparung im Bereich des elektrischen Energiebedarfs, z. B. für die Klimatisierung eines Gebäudes, liegt bei etwa 30 %. Es gibt auch Systeme, welche innerhalb einer Glasscheibe bis zu drei unterschiedliche Tönungszonen ermöglichen. Zu beachten ist jedoch die Tatsache, dass sich die Farbe des einfallenden Lichts mit zunehmender Verdunklung verändert und es dadurch zu Beeinträchtigungen bei sensiblen Arbeiten/Aufgaben kommen kann (z. B. bei Hautärzten). Die Gläser weisen zudem ein höheres Gewicht und eine höhere Glasstärke als herkömmliche Verglasungen auf und sind daher nicht für jeden Anwendungsfall geeignet.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abbildung 4.3 Elektrochromes Glas im Vergleich zu konventionellem Glas, (Saint-Gobain International AG o. J.) ©Asset Bank

Beim medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) im Pfaff-Quartier spielen solare Gewinne aufgrund der Orientierung des Gebäudes und des hohen Fensterflächenanteils eine wichtige Rolle.[4] Daher wird dem sommerlichen Wärmeschutz große Bedeutung zugeschrieben. Dieser sollte ursprünglich mit Hilfe von elektrochromer Verglasung umgesetzt werden. Da die vom Denkmalamt gewünschte Fensterform nicht umsetzbar war sowie Bedenken des Amtes bezüglich der möglichen Auswirkungen der Verglasung auf die Optik des Gebäudes aufkamen, wurde eine alternative Lösung gefunden. Fenster mit Jalousien im Scheibenzwischenraum erfüllen die Anforderungen nach dem Energiestandard KfW 70 (U-Wert von 0,8 W/m²K), einer innovativen Steuerung und an den Denkmalschutz. Mit den ausgewählten Holzintegralfenstern mit 3-fach Verglasung und Krypton als Edelgas in den Scheibenzwischenräumen, konnten zudem die geforderten Werte für den winterlichen Wärmeschutz und den Schallschutz erfüllt werden.

Bauwerkintegrierte Photovoltaik

Bauwerksintegrierte Photovoltaik (BIPV) ist eine weitere Möglichkeit im Bereich Beschattung. Das Shadovoltaik-Sonnenschutzsystem, welches über Solarzellen-Lamellen verfügt, die nicht nur zur Beschattung dienen, sondern auch Sonnenenergie in elektrische Energie umwandeln können, ist ein Beispiel für BIPV (Abbildung 4.4). Die Lamellen sind mit PV-Modulen bestückt, welche einachsig dem Sonnenstand folgen und dadurch stets die optimale Neigung für den Energieertrag haben. So ergibt sich eine Synergie aus Energieerzeugung und Sonnenschutz, da sich die Solarzellen immer optimal zur Sonne drehen und dadurch die Sonnenstrahlen gehindert werden, direkt auf die Fassade zu treffen.

 

 

 

 

 

Abbildung 4.4 Bauwerksintegrierte Photovoltaik, Shadovoltaik, Quelle: (Colt International GmbH 2020)

 

 

 

 

Abbildung 4.5 Beweglicher Sonnenschutz mit PV, Quelle: (Colt International GmbH 2020)

 

Beweglicher Sonnenschutz in Form von Photovoltaikmodulen, sog. Glas-Glas-Module, kann auch direkt vor die Fenster montiert werden.[5] Es ergeben sich so ebenfalls die Vorteile der höheren Energieausbeute und Verschattungswirkung. Der erhöhte Wartungsaufwand ist bei solchen Systemen jedoch ein Nachteil.

Feststehende Systeme zum Sonnenschutz mit integrierten PV-Modulen sind auch eine Option, die als starre Variante aufmontiert oder in die Fassade integriert werden können (Abbildung 4.6). So besteht die Möglichkeit, nicht nur einen Sonnenschutz bereitzustellen, sondern auch Energie umzuwandeln. Der Sonnenschutz ist auf eine bestimmte Tageszeit bzw. einen Einstrahlungswinkel limitiert und die Tageslichtmodulation ist nicht steuerbar. Dafür ist der Wartungsaufwand erheblich geringer als bei beweglichen Systemen mit Nachführung. Auch preislich sind fest montierte Sonnenschutz-Systeme attraktiver als die beweglichen Varianten.

 

 

 

 

Abbildung 4.6 Feststehender Sonnenschutz mit PV, Quelle: (Colt International GmbH 2020)

Glasintegrierter Sonnenschutz

Eine im Fenster integrierte Jalousie oder Raffstore findet bei dieser Art des Sonnenschutzes Anwendung. (Abbildung 4.7) Dabei wird vor die drei herkömmlichen, meist 4 mm dicken Sicherheitsscheiben, eine Jalousie und eine vierte Glasscheibe gesetzt.[6] Damit erreicht man eine Reduktion des Schalls, eine erhöhte Wärmedämmung sowie einen Sicht- und Sonnenschutz. Verschiedene Hersteller bieten dazu Lösungen an – von konventionellen Sicherheitsglasscheiben bis hin zu Wärmeschutzglas sowie wahlweise auch Jalousien oder Raffstores.

Fenster mit Jalousien im Scheibenzwischenraum liefern einen sehr effektiven Sonnenschutz – ähnlich der klassischen Außenverschattung mit Jalousie oder Markise, sind aber optisch wesentlich unauffälliger. Nach langen Verhandlungen mit dem Denkmalamt wurde diese Lösung für das MVZ genehmigt. Ausschlaggebend waren die energetischen Vorteile: Der Kühlbedarf des Gebäudes kann mit dieser Lösung stark abgesenkt werden. Vor diesem Hintergrund wurden leichte Veränderungen der Fassadenoptik akzeptiert.

Neben dem Sonnenschutz muss die Verglasung beim MVZ auch hohe Anforderungen beim Wärme- und Schallschutz erfüllen. Die Anforderungen beim Wärmeschutz leiten sich aus dem hohen Energiestandard KfW 70 ab, der für das MVZ vorgesehen ist. Um dessen Anforderungen zu erfüllen, dürfen die Fenster einen U-Wert von 0,8 W/m²K nicht überschreiten. Die hohen Anforderungen beim Schallschutz bestehen aufgrund der Lärmbelastung durch die Bahnlinie in direkter Nachbarschaft und der Nutzung des Gebäudes als medizinisches Versorgungs-zentrum.

Ein weiteres Kriterium im Auswahlprozess bildet die Ökobilanz der verschiedenen Fenstervarianten.

Mit einer Ökobilanz werden die ökologischen Auswirkungen über den kompletten Lebenszyklus eines Produktes erfasst. Bei der Gebäudesanierung werden bisher häufig nur die energetischen Einsparungen in der Nutzungsphase betrachtet. Eine ganzheitliche Bewertung erfordert aber nicht nur die Betrachtung der Produktion der Materialien, sondern auch ihre Entsorgung bzw. ihr Recycling. Neben dem Energieverbrauch sollten zudem weitere Wirkungskategorien wie beispielsweise das Treibhauspotential und die Versauerung berücksichtigt werden. In Zusammenarbeit mit der Firma Becker wurde ein Fenster entwickelt, das alle aufgeführten Anforderungen erfüllt. Die Basis bildet das Modell „Slimline 2Hv“, das in Abbildung 4.7 dargestellt ist.

Es handelt sich hierbei um ein Holzintegralfenster mit 2-fach Verglasung und einer Jalousie im Scheibenzwischenraum. In Abhängigkeit von der für den Rahmen verwendeten Holzsorte kann bei diesem Modell ein U-Wert von bis zu 0,95 W/m²K erzielt werden.

Bezogen auf das MVZ werden mit diesem Modell die Anforderungen des Denkmalschutzes und des sommerlichen Wärmeschutzes erfüllt. Die beim winterlichen Wärmeschutz und beim Schallschutz geforderten Niveaus werden jedoch nicht erreicht. Durch Einbau einer weiteren Glasscheibe, der Füllung des Scheibenzwischenraums mit dem Edelgas Krypton und einer speziellen Wärmeschutzbeschichtung können jedoch auch diese beiden Kriterien erfüllt werden. Der U-Wert des Fensters verbessert sich durch diese Maßnahme von 0,95 auf 0,74 W/m²K.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abbildung 4.7 Fenster „Slimline 2Hv“ der Firma Becker, Quelle: (Holzbau Becker & Sohn GmbH 2017)

 

Es gibt auch Systeme bei denen Jalousien mit Lichtlenkfunktion zum Einsatz kommen (Abbildung 4.8). Dadurch kann trotz des Sonnenschutzes Tageslicht in die Räume gelangen, sodass weniger künstliches Licht benötigt wird.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abbildung 4.8 Glasintegrierter Sonnenschutz, Jalousie mit Lichtlenkfunktion, : (Glas Schuler, Rednitzhembach)

Semitransparente verglaste Arkaden

Durch semitransparente PV-Installationen als Sonnenschutz ist eine multifunktionale Gebäudeintegration von Photovoltaik möglich. Eine Verschattung und gleichzeitige Stromerzeugung sind bei solchen Systemen umsetzbar. Die Lichtdurchlässigkeit kann durch die Abstände der einzelnen Solarzellen herstellerseitig variiert werden. Derartige Installationen sind beispielsweise für Eingangshallen, Flure und Überdachungen geeignet, sowie für Fensterflächen bei denen die Beleuchtungs-/Verschattungsverhältnisse dahinterliegender Räume unkritisch sind. Bei lichtempfindlichen Arbeiten wie z. B. die eines Hautarztes, bei denen eine gleichmäßige Beleuchtung essenziell ist, muss ein anderer Sonnenschutz installiert werden.

 

 

 

 

 

Abbildung 4.9 Semitransparente Solarzellen, Quelle: IfaS 2017 – links & ertex solar 2017- mitte und rechts

 

[1] Vgl. Krahmer 2014, S. 4.

[2] Vgl. Krahmer 2014.

[3] Vgl. Oetken und Wagner 2016, S. 1.

[4] Vgl. Persohn et al. 2020.

[5] Vgl. Kavermann et al. o. J.a.

[6] Vgl. Rieder 2020.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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