Dach- und Fassadenbegrünung

Werden Dächer oder Fassaden mit Pflanzen statt konventionellen Materialien, wie z. B. Kies ausgestattet, ist die Rede von sog. Gründächern und -fassaden. Von einfachen Moosen und Wiesen (extensive Begrünung, 6 – 20 cm Aufbau), bis hin zu Parkanlagen mit Sträuchern und kleineren Bäumen (intensive Begrünung 12 – 100 cm Aufbau) reichen die verschiedenen Ausprägungen. Auch an Fassaden sind diverse Vegetationsformen möglich. So können einfache Schlingpflanzen oder ganze vertikale Gärten angelegt werden.

Durch voranschreitenden Aus- und Weiterbau in Städten schwinden Grünflächen, was zu einer steigenden Flächenversiegelung führt und Probleme im Bereich des städtischen Mikroklimas sowie der Entwässerung verursachen kann.

So ist es beispielsweise möglich, dass es vermehrt zu Überlastungen der Kanalisation kommt, Hochwasserereignisse intensiver ausfallen und die Biodiversität vermindert wird. Außerdem ist ein Aufheizen der Innenstädte zu verzeichnen, wodurch das städtische Mikroklima für Mensch und Umwelt verschlechtert wird. Der sog. Backofeneffekt beschreibt dieses Aufheizen. Eintreffende Sonnenstrahlen führen dazu, dass sich Bauwerke und Straßen aufwärmen, Sonnenstrahlen reflektiert werden und Wärme, welche gespeichert wird, über längere Zeiträume abgeben wird.

Begrünte Dächer können einen Teil zur Entlastung der Kanalisation und Kläranlagen beitragen, indem diese bei starkem Regen den Abfluss des Wassers über einen gewissen Zeitraum verteilen (Regenrückhaltung).

Bis zu 85 % des Regenwassers kann zurückgehalten und der Abfluss des Wassers um bis zu 15 Minuten nach dem Regenereignis verzögert werden.[1] Im Gegensatz dazu, fließt bei konventionellen Dächern das meiste Wasser sofort in die Kanalisation und belastet dadurch das System am stärksten.

Durch die Retention (Regenwasserrückhaltung) kann das verhindert werden. Messungen in Wien (2009) ergaben, dass bei einem extensiv begrünten Dach (15 ° Dachneigung, 10 cm starke extensive Begrünung) etwa 98 Liter/Sekunde/Hektar und dagegen bei einem unbegrünten Foliendach (15 ° Dachneigung) in der Spitze 258 Liter/Sekunde/Hektar an Regenwasser abfließen.[2]

Zusätzlich verfügen die begrünten Dächer über eine Schadstofffilterleistung, welche in der Lage ist, aufgefangenes Regenwasser zu reinigen.

So kann über 90 % des enthaltenen Cadmiums, Kupfer, Blei und Stickstoff und über 15 % des Zinks aus dem Regenwasser herausgefiltert werden. Das gereinigte Wasser kann beispielsweise als Brauchwasser in Regenwassernutzungsanlagen oder für die Spülung von Toilettenanlagen verwendet werden.

Durch die Begrünung können zudem gewisse Anteile an Schadstoffen aus der Luft gefiltert und gebunden werden. So können über dem Dach befindliche Schadstoffe mit Hilfe transpirierender Wasserteilchen gebunden und in der Pflanzenschicht eingelagert werden.

Auch die Biodiversität und Artenvielfalt können durch Begrünungen der genannten Flächen gesteigert werden und je nach Ausprägung Vogel- und Insektenarten Habitate bieten. So kann ein Teil dazu beigetragen werden, das städtebauliche Klima zu verbessern und den schwindenden Raum für Flora und Fauna zu erhalten.

Das angesprochene verschlechterte Klima kann innerhalb von Gebäuden positiv beeinflusst werden:

Sommerliche Hitze wird nicht einfach an darunterliegende Räume weiterleitet, sondern diese bleiben durch die Dachbegrühnung länger kühl. Dies geschieht durch die Verdunstungsleistung der Pflanzen, welche je nach Ausführung und Stärke der Grünschicht die obersten Räume und das Dach kühlen.

Neben den schattenspendenden Eigenschaften schlägt sich die Veränderung der Temperatur des Daches sichtlich nieder. Konventionelle Bitumendächer können in der Spitze bis zu 90 °C, Kiesdächer bis 50 °C und begrünte Dächer bis zu 20 °C warm werden.[3]

Im Winter trägt die Grünschicht dazu bei, Wärmeverluste zu reduzieren und damit Energiekosten zu sparen.

Auch Fassadenbegrünungen können zu einer Kühlung im Sommer und einer Wärmedämmung im Winter beitragen. Zu beachten ist, dass Südfassaden am geeignetsten sind, da dort die meiste Sonnenenergie auftritt und bereits durch die Verschattung weniger Wärme in das Mauerwerk gelangt. Wohingegen im Winter dieser Wärmeeintrag erwünscht ist. Die Nordseite ist im Winter gut zur Reduktion von Wärmeverlusten, aber weniger gut zur Kühlung im Sommer geeignet. Zusätzlich kann es an der Nordseite vermehrt zu Vermoosungen kommen. Hier muss abgewogen werden, welche Eigenschaften der Fassadenbegrünung am ehesten den individuellen Anforderungen der Gebäude entsprechen.

Dächer, welche begrünt sind, weisen ein längeres Sanierungsintervall auf als bspw. Kiesdächer.

Müssen letztere etwa alle 20 Jahre saniert werden, fällt der Turnus bei extensiven Dachbegrünungen mit 40 Jahren doppelt so lange aus, was für eine verlängerte Betriebszeit eines Flachdaches spricht.[4] Dies hängt damit zusammen, dass die Temperaturen, denen die Dachoberflächen ausgesetzt sind, bei bis zu 90 °C im Sommer bzw. im Winter bis zu – 30 °C bei unbegrünten und 30 °C im Sommer bzw. – 10 °C im Winter bei begrünten Dächern liegen.[5] Die deutlich höheren Temperaturen beanspruchen die Materialen viel stärker, wodurch eine intensivere Abnutzung bei konventionellen Dächern zu verzeichnen ist.

Des Weiteren wird eine Lärmminderung erzielt, indem auftreffende Schallwellen kaum reflektiert werden, sondern zum größten Teil von der Vegetation aufgenommen werden.

Dadurch können Lärmbeeinträchtigungen, wie z. B. durch Fluglärm in unmittelbarer Umgebung effektiv reduziert werden. Gemäß der Universität Kassel, welche am Institut für Hochfrequenztechnik der Bundesuniversität in München Untersuchungen durchgeführt hat, können bis zu 99,4 % der von z. B. Mobiltelefonen ausgesendeten Strahlen mit einer min. 15 cm dicken Substratschicht gepuffert werden, was etwa doppelt so viel wie bei einem Ziegeldach ist.[6]

Zudem ist ein Gründach in der Lage, über die Photosynthese eine gewisse Menge an Sauerstoff umzuwandeln und für ein angenehmes Kleinklima zu sorgen.

Auch eine Kombination aus Dachbegrünung und PV-Modulen ist umsetzbar, wodurch weitere Synergieeffekten erzielt werden können.

So werden die Solarzellen durch den transpirierenden Wasserdampf, welcher von der Begrünung ausgeht, gekühlt und dadurch ihre Leistungsfähigkeit gesteigert. Auch wird ein Aufheizen der Dachoberfläche durch die Vegetation verringert, was den Solarmodulen zusätzlich zugutekommt. Dies kann insgesamt zu Temperaturdifferenzen von bis zu 3 K führen (Modul über Bitumendach im Vergleich zu Modulen über Dachbegrünung) und dazu beitragen, die Effizienz der Module zu steigern.[7]

Die Solarzellen wiederum spenden Schatten und können beispielsweise Moose vor zu intensiver Sonneneinstrahlung schützen. Eine solche Symbiose aus Technik und Vegetation setzt voraus, dass die Begrünung extensiv gehalten wird und möglichst keinen Schatten auf die Module wirft.

Das Dach muss für die zusätzliche Traglast und Belastung geeignet sein.

Beispielsweise massive Fundamente aus Beton, Beschwerung der PV-Trägersysteme mit Kies bzw. Betonplatten oder das Gewicht anderer Trägersysteme müssen beachtet werden.

Es gibt auch Trägersysteme, welche das Drainageelement als Beschwerung nutzen, indem die Halterungen für die PV-Module mit diesem Element verbunden sind und die Substrat- und Pflanzenschicht als Beschwerung dient. Solch ein System kam z. B. beim Landratsamt Tübingen, dem Institut für Umweltmedizin in Freiburg oder auf dem „In Center“ bei Landsberg am Lech zum Einsatz.[8]

Außerdem muss auf Windsogsicherheit geachtet werden.  Lastenreserven (inkl. evtl. höherer Schneelasten aufgrund einer vergrößerten Dachoberfläche)müssen vorhanden sein und die Bestimmungen des Brandschutzes eingehalten werden.

Bei Gründächern sind für die statischen Lastenannahmen die Eigenlasten für die extensive Begrünung (60 – 150 kg/m²) und Kiesbeläge (60 – 150 kg/m²) etwa gleich hoch, die für intensive Begrünung (150 – 500 kg/m²) allerdings deutlich höher.[9]

Neben den unterschiedlichen Lastenannahmen ist auch der Pflegeaufwand bei extensiver Begrünung geringer als bei einfacher Intensivbegrünung.

Neben der periodischen bzw. regelmäßigen Bewässerungen bei intensiver Begrünung erstreckt sich der angesprochene Pflegeaufwand auch auf das Zurückschneiden der Pflanzen, Düngung und die Wartung der technischen Anlagenteile.

Dabei muss bei der extensiven Begrünung am wenigsten Aufwand betrieben werden, womit hier die geringsten jährlichen Kosten entstehen. Die jährlichen Kosten für die Pflege liegen bei einem extensiven Gründach bei etwa 0,50 €/m² und bei einem Kiesdach bei etwa 0,25 €/m².[10]

Die Gebühren für Niederschlagswasser fallen bei Kiesdächern mit etwa 1,24 €/m² zweimal so hoch aus wie bei extensiv begrünten Dächern. Zu den variablen Ausgaben kommen die Herstellungskosten hinzu, welche bei extensiv begrünten Dächern mit 30 €/m² dreimal so hoch ausfallen wie bei Kiesdächern. Die Fertigstellungspflege kann mit ca. 1 €/m² angenommen werden.

Bei der Sanierung wird deutlich, dass Kiesdächer nach 20 Jahren erneuert werden müssen und dies mit 45 €/m² berechnet werden kann. Dahingegen müssen extensiv begrünte Dächer erst nach ca. 40 Jahren saniert/erneuert werden. Kostet die Sanierung nach 40 Jahren etwa 55 €/m², müssen für Kiesdächer nach 40 Jahren, also der zweiten Sanierung, noch 35 €/m² einkalkuliert werden. Einen vergleichenden Überblick liefert die Tabelle 4.1:

Tabelle 4.1 Vergleich der Kosten von extensiven Gründächern und Kiesdächern

Eigene Darstellung nach: (Ansel 2017)

Kosten Extensives Gründach Intensives Gründach Kiesdach
Herstellungskosten 30 €/m² 60 €/m² 10 €/m²
Fertigstellungspflege (einmalig) 1 €/m² k.A. 0 €
Sanierung nach 20 Jahren 0 € 0 45 €/m²
Sanierung nach 40 Jahre 55 €/m² k.A. 35 €/m²
Jährliche Wartung/Unterhaltung 0,5 €/m² k.A. 0,25 €/m²
Jährliche Gebühren für Niederschlagswasser 0,62 €/m² k.A. 1,24 €/m²

Werden diese Ausgaben auf 40 Jahre betrachtet und eine Dachfläche von 100 m² angenommen, wird nach Tabelle 4.2 ersichtlich, dass begrünte Dächer preiswerter als Kiesdächer sind.

Tabelle 4.2 Beispielrechnung extensives Gründach und Kiesdach bei 100 m² Fläche und 40 Jahren Betriebszeit

Kosten Extensive Gründach Intensives Gründach Kiesdach
Wartung/Unterhaltung 2.000 € k.A. 1.000 €
Gebühren für Niederschlagswasser 2.480 € k.A. 4.960 €
Herstellungskosten 3.000 € k.A. 1.000 €
Fertigstellungspflege (einmalig) 100 € k.A. 0 €
Sanierung/Erneuerung 5.500 € k.A. 8.000 €
Gesamt 13.080 € k.A. 14.960 €

Einige Normen, Vorschriften und Richtlinien können bei der Planung als richtungsweisend herangezogen werden. Zu nennen wären die Brandschutzvorschriften, welche exakt definieren, wie wiederstandfähig die Begrünung gegenüber Flugfeuer und strahlender Wärme sein muss sowie die Dachbegrünungsrichtlinie, welche von der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau (FLL) herausgegeben und für die Planung, die Durchführung, Wartung sowie Erhaltung Anhaltspunkte liefern kann.

Verschiedene Nachhaltigkeitszertifikate können bei der Planung ebenfalls als Stütze in Betracht kommen, um eine möglichst hohe Effektivität der geplanten Anlage sowie eine größtmögliche Schonung der Ressourcen und der Umwelt zu erreichen.

Daneben haben die Kommunen in ihrer Bauleitplanung die Möglichkeit, neben dem Flächennutzungsplan auch verbindliche Vorgaben in Bezug auf die Errichtung von Gebäuden und deren Eigenschaften festzulegen.

So kann definiert werden, welche Energiequellen zum Einsatz kommen dürfen, zu welchen Anteilen Erneuerbare Energien genutzt werden müssen und welche Gebäudetypen erlaubt sind. Gründächer und die Nutzung von PV-Modulen können auf diese Weise vorgeschrieben, Gebühren und Zuschüsse entsprechend definiert werden. So kann z. B. festgelegt werden, dass in einem ausgewiesenen Gebiet alle Flachdächer und flach geneigte Dachflächen (2 – 20 ° Neigung) zu begrünen sind.[11] Möglich ist zudem vorzuschreiben, zu welchem Anteil die Dachflächen und mit welchen Substraten begrünt sowie welche Pflanzen verwendet werden dürfen.

Es gibt bereits Bundesländer, die Förderprogramme für Dachbegrünungen anbieten. Je nach Gemeinde bzw. Stadt stehen verschiedene Fördermöglichkeiten zur Verfügung.

So können Dachbegrünungen direkt gefördert und/oder Abwassergebühren reduziert werden. Je nach Kommune kann die Erleichterung bis zu 100 % der Niederschlagsabwassergebühren betragen. Dies ist beispielsweise in Kaiserslautern der Fall.

Die Entscheidung, welche Art der Begrünung (intensiv oder extensiv) zu wählen ist, steht zu Beginn eines optimalen Ablaufplanes an, welcher dabei unterstützt, die nötigen Schritte in der richtigen Reihenfolge zu gehen, um so nachträglichen, kostenintensiven Anpassungen vorzubeugen.

Aus Biodiversitäts- und Kostengründen sind extensiv begrünte Dächer am geeignetsten und bieten das ausgewogenste Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen. Bei der Auswahl der Pflanzen müssen lokale Besonderheiten, wie beispielsweise hohe Niederschlagsmengen oder hohe Anzahl an Sonnenstunden, beachtet werden, um eine möglichst lange Lebensdauer der Pflanzenschicht zu gewährleisten und zusätzliches Bewässern oder Verschatten zu vermeiden.

Der auf lokale Gegebenheiten anpassbare und auf Kundenwunsch individualisierbare Systemaufbau beachtet neben der Verwendung von Qualitätssubstraten nach der FLL die Einplanung von Pflege- und Wartungsintervallen sowie die Verwendung von mindestens vier verschieden Sedum Arten.

Um zusätzliche Ausgaben zu vermeiden, wie z. B. durch Ausbesserungen oder der Beseitigung von Undichtigkeiten, sollte auf qualifizierte Firmen und Ausführungen geachtet sowie eine Begutachtung durch den Architekten durchgeführt werden.

 

Abbildung 4.10 Extensiv begrüntes Dach, Quelle: (Hüfing et al. 2009)

 

[1] Vgl. Hüfing et al. 2009.

[2] Vgl. Hüfing et al. 2009.

[3] Vgl. Brune et al. 2017, S. 21.

[4] Vgl. Ansel 2017.

[5] Vgl. Hüfing et al. 2009, S. 10.

[6] Vgl. Hüfing et al. 2009, S. 13.

[7] Vgl. Boetticher et al. 2012.

[8] Vgl. Boetticher et al. 2012.

[9] Vgl. Boetticher et al. 2012.

[10] Vgl. Ansel 2017.

[11] Vgl. Pfoser et al. 2018.

 

 

 

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